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Mittwoch, 15. Dezember 2010

Gut, Guter, Guttenberg

Die Süddeutsche Zeitung wirft dem Verteidigungsminister vor, aus dem "Dienstgeschäft eine Show" zu machen, übt Stilkritik an Stefanie zu Guttenbergs Karohemd und stellt die ganze Aktion des Truppenbesuchs irgendwie in Zusammenhang mit der Audienz eines feudalen Herrschers bei seinen Untertanen. Die FAZ warnt Guttenberg, er müsse aufpassen, dass er nicht "für Thomas Gottschalk gehalten" werde.
Es ist interessant, dass von links bis rechts über Guttenbergs "Show-PR" die Nase gerümpft wird. Wir kennen ähnliche Bilder von amerikanischen Präsidenten oder Verteidigungsministern, die sich beim Truppenbesuch auch gern mal eine Camouflagejacke überziehen oder gar in Pilotenuniform auf Flugzeugträgern landen. Guttenberg kopiert diese Bildsprache eines "Commanders-in-Chief".
Für Deutsche, die sich als Weltlehrmeister des Pazifismus aufspielen, muss diese Verknüpfung von Militärischem und Politischem, und dann auch noch in dieser amerikanisch geprägten Bildsprache, eine einzige Provokation sein: Schließlich sind wir auch noch die Hochburg des aus kulturellen Überlegenheitsgefühlen gespeisten Anti-Amerikanismus. Der Vorwurf der "Show", also der Oberflächlichkeit, ist die Grundsubstanz, aus der sich dieser kulturelle Anti-Amerikanismus immer schon speiste. Er bedeutet: Inszenierung ist immer notwendigerweise Oberflächlichkeit. Wer inszeniert, ist ein Manipulierer.

"All dies ist peinlich"

Nicht nur, dass ausgerechnet Claudia Roth diesen Vorwurf ("Eigen-PR") erhob, die neulich noch von angemessen vielen Kameras dabei gefilmt wurde, wie sie einen legalen Atommülltransport blockierte – und das gar nicht gekonnt hätte, wäre aus Amerika in den 60ern nicht die geniale Erfindung des ausschließlich auf PR ausgerichteten "Sit-ins" zu uns gekommen.
Oder dass Andrea Nahles sagt, dies sei "Staatsschauspielerei" – und dabei ein Wort benutzte, das ausgerechnet Helmut Schmidt zur Beschreibung des eigenen Tuns als Politiker verwendete. Und zwar in der Absicht, für die Unausweichlichkeit der Inszenierung in der Politik einen halb selbstironischen Begriff zu finden. All dies ist peinlich. Darüber hinaus steht es, neben dem Anti-Amerikanismus, aber auch noch für ein verquastes Politikverständnis.

"Politik braucht Inszenierung und Emotionalisierung"

Guttenberg inszeniert sich. Ja, und? Durch ihn erhalten deutsche Soldaten, die aufgrund eines Parlamentsbeschlusses "von uns", dem Volk, entsandt wurden, zum ersten Mal die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Insofern sind Eigennutz und öffentliches Interesse in Einklang gebracht. Nehmen wir an, Guttenberg positioniert sich für den Lauf ins Kanzleramt. Ja, und? Macht ist in der Demokratie Regeln unterworfen und eingeschränkt. Die verquaste Idee, Machtstreben insgesamt hätte etwas Unmoralisches, ist vollkommen falsch. Gäbe es kein Machtstreben mehr, dann gäbe es keine Demokratie mehr, denn auch Demokratie braucht Leute, die Macht ausüben wollen und sie deshalb anstreben.
Wie sie dies tun ist, solange dies legale Mittel sind, ist egal. Guttenbergs medienaffine Strategie ist eine mögliche Form. Und sie ist mitnichten unsympathischer oder unmoralischer als jene Show von Leuten, die sich als machtskeptisch inszenierten und deshalb die viel nervigere Show veranstalteten: die sogenannte "Glaubwürdigkeit" – jene von all den Engholms, Raus und Süssmuths und Roths verfolgte Strategie, die auch eine Inszenierung ist, nur nicht so heißt und deren Protagonisten, siehe Engholm, nicht selten grandios gescheitert sind.
Politik braucht Inszenierung und Emotionalisierung. Guttenberg liefert sie. Bisher hat sie dem Land mitnichten geschadet.