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Mittwoch, 15. Dezember 2010

Chodorkowski-Urteil kurzfristig verschoben

Im umstrittenen Prozess gegen den ehemaligen russischen Ölunternehmer Michail Chodorkowski ist die für Mittwoch geplante Urteilsverkündung überraschend um zwei Wochen verschoben worden. Die Verlesung des Urteils solle am 27. Dezember stattfinden, hieß es am Morgen auf einem Aushang am Gericht des Moskauer Stadtteils Chamowniki, wie ein Augenzeuge berichtete. Das Gericht werde seine Entscheidung nicht begründen, sagte Sprecherin Natalja Wassiljewa der Nachrichtenagentur Interfax.

Betrug und Steuerhinterziehung

Chodorkowski, dem Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen russischen Ölkonzerns Yukos, und seinem früheren Geschäftspartner Platon Lebedew wird vorgeworfen, 218 Millionen Tonnen Öl abgezweigt und illegal weiterverkauft zu haben. In einem ersten Prozess waren sie wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe läuft nächstes Jahr aus. Die Staatsanwaltschaft fordert nun, sie wegen der neuen Vorwürfe bis 2017 in Haft zu behalten.

Kritiker: Prozess ist politisch motiviert

Der Prozess wird von Kritikern als politisch motiviert verurteilt. Die Eltern Chodorkowskis, die bereits am frühen Morgen bei Gericht eintrafen, zeigten sich verärgert über die Verschiebung. Die Behörden wollten die Urteilsverkündung in die Zeit der Feiertage legen, "wenn die Leute andere Sorgen haben", sagte Vater Boris Chodorkowski.

Zu Protestkundgebung aufgerufen

Für Mittwoch hatte der bekannte russische Journalist Leonid Parfjonow anlässlich der ursprünglich geplanten Urteilsverkündung über das Internet-Videoportal Youtube zu einer Massenkundgebung vor dem Gericht aufgerufen. "Man muss kein Anhänger von Chodorkowski und Lebedew sein, um zu verstehen, dass dieser Fall historisch ist und eine Menge, wenn nicht sogar alles über die sozial-politische Lage im Land entscheidet", sagte er darin.

Putin wird sich zu Prozess äußern

Die Verschiebung der Urteilsverkündung kam einen Tag vor der jährlich vom Staatsfernsehen übertragenen Fragestunde mit Ministerpräsident Wladimir Putin. Es wurde erwartet, dass er sich am Donnerstag zu dem Prozess gegen Chodorkowski äußert. Der bekannteste Häftling Russlands hatte durch seine Unterstützung der Opposition einst den Ärger des früheren Präsidenten auf sich gezogen.