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Montag, 10. Januar 2011

Euro bricht unter Portugal-Gerüchten ein


Travelshop24

Gerüchte, nach denen Portugal davor steht, unter den EU-Rettungsschirm zu schlüpfen, werden hartnäckig dementiert. Die Entscheidung über die Zahlungsfähigkeit des Landes wird wohl am Mittwoch fallen.

Die Ruhe war trügerisch. Über Weihnachten und Neujahr war von der europäischen Schuldenkrise nicht viel zu hören. Jetzt flammt sie wieder auf, denn die Krisenländer müssen an den Finanzmärkten Milliardensummen leihen. EU-Kommission und Bundesregierung dementierten zwar erneut, dass das hochverschuldete Portugal demnächst unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen soll. Doch gleichzeitig schwindet das Vertrauen an den Finanzmärkten: Der Kurs des Euro fiel zeitweise auf ein Viermonatstief, auch die europäischen Börsen gaben nach.

Der Härtetest für das ärmste Land Westeuropas ist für diesen Mittwoch programmiert. Lissabon wird langfristige Anleihen herausgeben, von denen Einnahmen von 750 Millionen bis 1,25 Milliarden Euro in die Staatskasse fließen sollen. Von der Höhe des Risikoaufschlags, den die Anleger bei der Verzinsung verlangen, wird es entscheidend abhängen, ob die Schuldenkrise sich weiter verschärft. "Wenn Portugal bei diesem Test durchfällt, rückt es mit großen Schritten einer Situation entgegen, in der es die Europäische Union und den IWF um Hilfe bitten muss", urteilte die Wirtschaftszeitung "Diário Económico".
Regierung "kann die Heilige Jungfrau von Fátima anrufen"

Der Ökonom und frühere portugiesische Finanzminister Jacinto Nunes fügte hinzu: "Wenn für die Staatsanleihen ein Risikoaufschlag in einer Größenordnung von sieben Prozent verlangt wird, ist das kaum zu bezahlen." Die Regierung von Ministerpräsident José Sócrates könne da nicht mehr viel tun. "Sie kann allenfalls noch die Heilige Jungfrau von Fátima anrufen", meinte Nunes mit Blick auf den berühmten Wallfahrtsort nördlich von Lissabon.

In Brüssel wird erwartet, dass Portugal sicher auf dem Programm der Euro-Finanzminister steht, die sich am 17. Januar treffen werden. Bisher heißt es immer noch hartnäckig, keiner in der EU mit Entscheidungsgewalt in Finanzsachen dränge Lissabon unter den Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro. Nach dem Mittwoch könnte sich das aber durchaus ändern. Der Fall Portugal gilt politisch als äußerst heikel, da sowohl EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso als auch der Vize-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Vitor Constâncio, aus dem traditionsreichen und stolzen Land am Westrand des Kontinents stammen.
Aufstockung des Rettungsschirms ist weiterhin aktuell

Bereits im Dezember debattierte Möglichkeiten wie eine Aufstockung des Rettungsschirms von Euro-Staaten und IWF sind angesichts der fortgesetzten Schuldenkrise nicht vom Tisch, sagen Diplomaten. Im alten Jahr hatten vor allem die EZB und der IWF Druck gemacht, dass die Europäer ihren Krisenfonds erheblich ausweiten. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten vor Weihnachten bei ihrem Gipfel versichert, es werde "alles getan", um die Stabilität im Euroraum zu sichern. "Das stimmt tatsächlich", kommentiert ein Diplomat.

In Portugal hat die Sócrates-Regierung nach Ansicht von Experten kaum noch Einfluss darauf, ob das Land Zuflucht unter dem Rettungsschirm suchen muss oder nicht. Dabei verhält sich die sozialistische Regierung bei der Sanierung der ramponierten Staatsfinanzen aus EU-Sicht mustergültig. Sócrates drückte im vergangenen Jahr die Rekord-Neuverschuldung von 9,4 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 7,3 Prozent. Dieses Jahr soll das Defizit auf 4,6 Prozent sinken. All dies scheint jedoch nicht auszureichen, die Märkte zu beruhigen.
Portugal wählt am 23. Januar

Mittlerweile greift die Unruhe auch auf die Politik über. Die konservativen Oppositionsparteien PSD (Sozialdemokratische Partei) und CDS (Demokratisch-Soziales Zentrum) verlangten vorgezogene Parlamentswahlen für den Fall, dass Portugal internationale Hilfe beanspruchen muss. In knapp zwei Wochen wählen die Portugiesen einen neuen Präsidenten. Der konservative Staatschef Aníbal Cavaco Silva, der am 23. Januar wiedergewählt werden möchte, rät dazu, die Ruhe zu bewahren: "Ich denke, dass es nicht dazu kommen wird."

In Spanien breitete sich derweil die Befürchtung aus, die Krise könne von Portugal auf das Nachbarland übergreifen. Die spanischen Banken sind in Portugal stark engagiert. Zudem plagt das spanische Finanzsystem ein weiteres Problem: In Spanien sind neben dem Staat auch die Bürger hoch verschuldet. Die Unternehmen und die privaten Haushalte haben einen Schuldenberg von 2,2 Billionen Euro angehäuft. Im Norden Europas gibt es einen weiteren Krisenkandidaten: Belgien, Sitz der EU-Kommission, und seit über 210 Tagen ohne gewählte Regierung.